Mitgeschöpfe

Michael BrachtDer Theologe Karl Heim (1874-1958), hatte auch ein reges Interesse für die Naturwissenschaften. Dies veranlasste ihn – so schreibt er in seinen Erinnerungen – im frühen 20. Jahrhundert zum Besuch einer Ausstellung von Tiefseefischen.

Zum ersten Mal in Europa konnte man diese faszinierenden Kreaturen aus den Tiefen der Ozeane live und in Farbe bewundern.

Beim Durchschreiten der Ausstellung wurde der Gelehrte von einem Gedanken regelrecht überwältigt: Auf einmal wurde ihm klar, dass er zu den ersten Menschen gehört, die diese Tiere zu Gesicht bekommen – dass diese Geschöpfe aber schon seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden auf dem Grund der Meere leben. In all ihren schillernden Farben und skurrilen Formen, in all ihrer Schönheit und Raffinesse sind sie bis in die Neuzeit vor menschlichen Blicken verborgen geblieben.

RotfeuerfischHeim verließ diese Ausstellung tief bewegt von der überschwänglichen göttlichen Kreativität – und zugleich demütig, beseelt von der plötzlichen Einsicht, dass sich für den Schöpfer ganz offensichtlich doch nicht alles um den Menschen drehte.

Völlig losgelöst von der Frage, ob sich je ein Mensch ihrer wird erfreuen können (und ganz sicher auch fern vom Gedanken ihrer Verwertung zu Forschungs- oder Nahrungszwecken), hat Gott auch diese Wesen geschaffen.

Mehr noch: Den Mitgeschöpfen unserer Welt kommt ein eigener Wert und eine vom Menschen unabhängige Bedeutung zu. Sie haben eine authentische Würde und eine wilde Schönheit, die nicht nach menschlicher Bestätigung sucht.

Herzlich grüßt alle Leserinnen und Leser
Michael Bracht, P.



Foto: Vova Kras, Pazifischer Rotfeuerfisch, 2019